Kontamination mit Mineralöl-Kohlenwasserstoffen
„Mineral Oil Hydrocarbons“ (MOH) gelten als unerwünschte Kontaminanten in nahezu allen verarbeiteten Lebensmitteln. Im Laufe der Produktions- und Verarbeitungskette können MOH auf vielfältige Art und Weise eingetragen werden. Frühzeitige Kontamination kann etwa bei der Ernte, Trocknung oder der Abpackung bereits im Erzeugerland, z.B. durch Erntemaschinen oder belastete Jutesäcke geschehen. Während der Weiterverarbeitung kann der Eintrag über Schmiermittel oder Prozesshilfen erfolgen. Das fertige Erzeugnis kann durch den Übergang von verschiedenen Kohlenwasserstoffen aus der Verpackung ebenfalls kontaminiert werden.
Im Zuge des Recyclingprozesses von Altpapier gelangen MOH aus Zeitungsdruckfarben und anderen Quellen in Kartonagen. Diese Recyclingkartons werden genutzt um Lebensmittel zu verpacken und können dabei Mineralölkomponenten an das Lebensmittel abgeben. Weitere Quellen können der mineralölhaltige Druck auf der Verpackung an sich sein.
Die Vermeidung der MOH Kontamination aus Recyclingkartonagen kann durch verschiedene Wege erfolgen. Zum einen ist es möglich durch funktionelle Barrieren (Innenbeutel, Coatings) die Migration bis zu einem Minimum zu reduzieren. Zum anderen kann durch die Verwendung von anderen Materialien der Eintrag von karton-assoziierten MOH von Beginn an ausgeschlossen werden.
Synthetische Kohlenwasserstoffe
In Abgrenzung zu den mineralölbasierten Kohlenwasserstoffen stehen die synthetischen Kohlenwasserstoffe. Diese können zum Beispiel in Form von Schmiermitteln (z.B. Poly-alpha-Olefine, PAO) innerhalb der Lebensmittelproduktion vielfältig eingesetzt werden und dabei unerwünscht auf diese übergehen.
Auch die am häufigsten für Lebensmittelkontaktmaterialien eingesetzten Kunststoff-Polymere Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) enthalten stets geringe Anteile niedermolekularer Oligomere. Diese sind zumeist gesättigt (polyolefin oligomeric saturated hydrocarbons, POSH), können aber auch als einfach ungesättigte Verbindungen vorkommen (polyolefin oligomeric monounsaturated hydrocarbons, POMH). Niedermolekulare Oligomere sind fähig aus der Polymermatrix heraus zu diffundieren und dabei unerwünscht in das Lebensmittel zu migrieren.
Eine weitere relevante Gruppe synthetischer Kohlenwasserstoffe stellen die Harz-Oligomere dar. Diese sind beispielsweise wichtige Bestandteile von Heißklebstoffen im Lebensmittelkontakt, wie sie z.B. zur Fertigung von Faltschachteln verwendet werden. Harz-Oligomere können sowohl gesättigte (resin oligomer saturated hydrocarbons, ROSH) als auch aromatische Verbindungen (resin oligomer aromatic hydrocarbons, ROAH) umfassen und gehen in der Regel über die Gasphase auf das Lebensmittel über.
Synthetische Kohlenwasserstoffe können während der Mineralöl-Analytik miterfasst bzw. als MOSH/MOAH fehlinterpretiert werden. Auf Basis unserer jahrelangen Expertise bieten wir zuverlässige Identifizierungs- und Bestimmungsmöglichkeiten zur sicheren Abgrenzung der Kohlenwasserstoff-Subgruppen.
MOSH
„Mineral Oil Saturated Hydrocarbons“ – kurz MOSH – sind Mineralölkomponenten. Es handelt sich um ein komplexes Gemisch aus mehreren Hunderttausend strukturell ähnlichen gesättigten Kohlenwasserstoffen, die von offenkettiger oder naphthenischer Struktur sein können. In der Betrachtung als Kontaminanten für Lebensmittel spielen MOSH mit einer Kettenlänge zwischen 10 und 50 Kohlenstoffatomen eine Rolle.
Toxikologisch gesehen kam die EFSA in ihrer 2023 erneuerten Risikobewertung [1] zu dem Ergebnis, dass sich MOSH im Molmassenbereich zwischen C20 und C45 insbesondere in Geweben anreichern kann, z.B. in Leber, Fettgewebe oder Milz, und die erfolgte Akkumulation nur sehr langsam wieder abgebaut wird. Die Gefahr einer akuten Toxizität wird derzeit allerdings als minimal betrachtet, da in den durchgeführten Tier-Studien keine kritischen Wirkungen mit der Verabreichung von MOSH eindeutig in Verbindung gebracht werden konnten. Folglich kam die EFSA zu dem Schluss, dass die ermittelte Exposition zu MOSH derzeit für keine Altersgruppe als gesundheitlich bedenklich zu bewerten ist.
Derzeit existieren keine rechtlich bindenden Höchstgehalte für MOSH in Lebensmitteln. Im Rahmen von Minimierungs-Strategien stellen Überwachungsbehörden und Lebensmittelverbände aktuell eine Liste mit Orientierungswerten für relevante Lebensmittelgruppen bereit, welche derzeit als Obergrenze gemäß der Guten Herstellungspraxis anzusehen sind [2].
Beispiele für Orientierungswerte MOSH (Stand: 10/2024):
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Pflanzl. Fette/Öle: 13 mg/kg
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Brot/Backwaren: 6 mg/kg
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Süßwaren wie Schokolade: 9 mg/kg
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Nüsse, Schalenfrüchte, Ölsaaten: 4 mg/kg
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Fleisch, Fleischerzeugnisse: 9 mg/kg
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Fisch, Fischerzeugnisse: 4 mg/kg
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Milch, Milcherzeugnisse: 22 mg/kg Milchfett
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Vegane/vegetarische Ersatzprodukte: 5 - 11 mg/kg
MOAH
„Mineral Oil Aromatic Hydrocarbons“ – kurz MOAH – sind ebenfalls Mineralöl-komponenten analog zu den MOSH. Im Gegensatz dazu sind diese Verbindungen jedoch ein Gemisch aus hochalkylierten Aromaten mit mindestens einem aromatischen Ringsystem.
Aus toxikologischer Sicht unterteilt die EFSA [1] MOAH strukturell nach Anzahl der aromatischen Ringsysteme in die 1-2 Ring-MOAH-Fraktion sowie die 3-7 Ring-MOAH-Fraktion. Hinsichtlich der Wirkung von 1-2 Ring MOAH ist die Datenlage derzeit noch sehr eingeschränkt, sodass negative gesundheitliche Wirkungen nicht ausgeschlossen werden können. Für die 3-7 Ring-MOAH-Fraktion schätzt die EFSA die vorliegende Gefahr einer krebserregenden Wirkung aufgrund der strukturellen Analogie zu polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) ein. Für beide MOAH-Subfraktionen kommt die EFSA derzeit zu dem Schluss, dass die Exposition ein potentielles Risiko für die menschliche Gesundheit darstellt.
Auch für MOAH existieren derzeit noch keine rechtlich bindenden Höchstgehalte in Lebensmitteln. Im Rahmen des Vorsorgeprinzips, der Guten Herstellungspraxis und der Gefahrenminimierung ist derzeit jedoch jeglicher Positivbefund, d.h. MOAH > Nachweisgrenze, als kritisch zu beurteilen [2].
Folgende Orientierungswerte für MOAH-Nachweisgrenzen in Lebensmitteln sind dabei in Abhängigkeit des Fettgehaltes des Lebensmittels aktuell zu berücksichtigen (Stand: 10/2024):
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0,5 mg/kg (Fettgehalt Lebensmittel ≤ 4 %)
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1,0 mg/kg (Fettgehalt Lebensmittel > 4 % und ≤ 50 %)
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2,0 mg/kg (Fettgehalt Lebensmittel > 50 %).
Synthetische Kohlenwasserstoffe
Polyolefin-Oligomere (POSH): Die meistgenutzten Polymere für Lebensmittelverpackungen sind Polyolefine. In der Vergangenheit wurde gezeigt, dass „Polyolefin Oligomeric Hydrocarbons“ (POH) von der Verpackung ins Lebensmittel migrieren. Diese Substanzen setzten sich aus „Polyolefin Oligomeric Saturated Hydrocarbons“ (POSH) und „Polyolefin Oligomeric Monounsaturated Hydrocarbons“ (POMH) zusammen.
Ein toxikologische Bewertung dieser Oligomere liegt bis dato nicht vor, wobei aller Voraussicht nach nicht von einer akuten Gefährdung des Konsumenten ausgegangen werden darf. Analytisch kann das Vorhandensein von POSH mittels HPLC-GC-FID sicher identifiziert und mittels GCxGC-MS/FID quantifiziert werden.
Harz-Oligomere (ROSH/ROAH): Verschiedene Harze basierend auf Kohlenwasserstoffen kommen als Tackfier in Klebstoffen zum Einsatz. Bei der Verwendung von Heißklebern (Hotmelts) in Kartonfaltschachteln konnte in Studien gezeigt werden, dass gesättigte und aromatische Kohlenwasserstoffe über die Gasphase vom Hotmelt auf das verpackte Lebensmittel migrieren. Die Hauptkontaminationsquelle dieser synthetischen Kohlenwasserstoffe innerhalb der Hotmelt-Rezeptur waren die Kohlenwasserstoff-Harze. Analytisch kann das Vorhandensein von ROSH/ROAH meist mittels HPLC-GC-FID sicher identifizert und mittels GCxGC-MS/FID quantifiziert werden.
Hydrierte KW-Harze („Petroleum Hydrocarbon Resins, hydrogenated“) werden in der Verordnung (EU) 10/2011 als unbedenklich eingestuft (FCM Nr. 97, kein SML).
Literatur
[1] EFSA (2023)
Update of the risk assessment of mineral oil hydrocarbons in food. EFSA Journal. 2023;21(9):8215.